Gegen ein Glas Wein für den Genuss zu einem köstlichen Essen mit Freunden ist nichts einzuwenden. Wer jedoch Alkohol trinkt, um sich besser entspannen zu können, täuscht sich, was die Wirkung auf das vegetative Nervensystem betrifft. Mit der Herzratenvariabilität lässt sich zeigen, welchen negativen Einfluss Alkohol tatsächlich auf die Entspannungsfähigkeit hat.
Wir haben alle von den Rotwein-Studien zur Herzgesundheit gehört. Oft müssen sie als Alibi für Alkohol-Genuss herhalten. Dabei wird gerne übersehen, dass sich die positiven Auswirkungen auf einen moderaten Rotweinkonsum beziehen.
Was man unter moderat versteht, wird viele Weinliebhaber enttäuschen. Die negativen Auswirkungen größerer Mengen auf das vegetative Nervensystem und den Schlaf, wie sie in der Studie von M. R. Irwin et al. (2006) beschrieben werden, können vielleicht überzeugen, den Konsum einzuschränken.
Wieviel Alkohol ist verträglich?
Die Veränderungen der Herzratenvariabilität (HRV) veranschaulichen, was der Körper verträgt und was zu viel ist. Studien zeigen, dass sich ein Glas Rotwein noch nicht wesentlich auf die HRV auswirkt. Vorübergehende leichte Einbußen beim RMSSD-Wert nimmt wohl jeder gerne für den Genuss in Kauf.
Offensichtlich ist die Verträglichkeit von Alkohol individuell verschieden. Aber Alkohol schadet – nur eben individuell unterschiedlich stark.
Die Wirkung von Alkohol ist von vielen Einflussfaktoren abhängig. Daher fallen Studienergebnisse teilweise widersprüchlich aus, wie z. B. die Studie von I. Janszky et al. (2005) über den positiven Einfluss von moderatem Rotweingenuss bei Frauen mit Erkrankungen der Herzkranzgefäße. Man hat hier zwar ein statistisch signifikantes Ergebnis, aber die Zusammenhänge von Ursachen und Wirkung sind nicht ganz klar.
Der Studie von Spaak et al. (2010) lassen sich Mengengaben entnehmen, die beim nächsten Rotweinabend für Klarheit sorgen. Die Teilnehmer der Studie wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine bekam 155 Milliliter Rotwein (12 Prozent, etwa 15 Gramm Alkohol) gereicht und die andere eine 12-prozentige Ethanol-Lösung. Parallel gab es noch eine Kontrollgruppe, die nur Wasser trank.
In den Gruppen der Alkoholtrinker zeigten sich nach dem zweiten Glas signifikante Veränderungen der HRV im Vergleich zu den Wassertrinkern. Vor allem die parasympathische Aktivität nahm unter dem Alkoholeinfluss ab. Die Werte von HF und RMSSD sanken, während das LF/HF-Verhältnis anstieg.
Natürlich muss an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass die Wirkung des Alkohols vom Gewicht abhängig ist. Und vom Geschlecht: Frauen vertragen weniger als Männer. Von Experten wird Frauen nur ein Glas zugestanden.
HRV-Folgen von regelmäßigem Alkoholgenuss
Wer gelegentlich ein Glas Wein trinkt, muss sich keine Gedanken gemachen. Die Auswirkungen des Alkohols sind, wie Vergleiche zwischen Abstinenzlern und Gelegenheitsgenießer zeigen, eher gering. Ganz anderes sieht es aus, wenn regelmäßig Alkohol getrunken wird. Mit Hilfe der HRV lässt sich ein Rückgang der parasympathischen Aktivität (RMSSD) und ein leichter Anstieg der sympathischen Aktivität (LF, LF/HF) beobachten. Weniger ausgeprägt, ist die Wirkung auf die Gesamtvariabilität (Total Power, SDNN).
Auch beim regelmäßigen Alkoholgenuss kommt es auf die Menge an. Nach der Studie von Thayer et al. (2006) über den Zusammenhang von Alkoholgenuss und Cortisol-Ausscheidung geht eine Aufnahme von mehr als 20 Gramm mit einem deutlichen Rückgang des RMSSD-Wertes und mit einer erhöhten Cortisol-Ausschüttung einher.
Eigentlich ein klarer Hinweis: Alkoholgenuss führt zu Stress statt Entspannung.
Warum Alkohol nicht entspannt
Wer sich ein bisschen mit der Aktivität und der Einflussnahme von Sympathikus und Parasympathikus auseinandersetzt, kann nachvollziehen, warum Alkohol nicht entspannen kann. Auch wenn es sich vielleicht erst mal so anfühlt, gaukelt Alkohol Entspannung nur vor. Vor allem am Abend hemmt und verhindert die Reduzierung der parasympathischen Aktivität den Einstieg in das natürliche Erholungsprogramm des Körpers.
Gesunde Menschen haben das Gefühl, mit Alkohol im Blut besser schlafen zu können. Aber das täuscht: Das Gefühl bezieht sich auf das Einschlafen.
Wer einmal eine Langzeitmessung mit abendlicher Rotweinrunde gemacht hat, der sieht, wie lange die Alkoholwirkung den Körper belastet und ihn davon abhält, neue Kräfte zu sammeln. Bei größeren Mengen kommt es in der zweiten Nachthälfte zu Schlafstörungen. Die REM-Schlafphase (Traumschlaf) wird kürzer. Dies kann die Informationsverarbeitung und Stressbewältigung negativ beeinflussen.
Je mehr man trinkt, desto schlechter erholt man sich. Die Verhinderung normaler Schlafphasen und die Auflösung der kompletten Schlafarchitektur hängen von der Menge und der Häufigkeit des Alkoholeinflusses ab.